Positionspapier: Investitionshemmnisse für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur beseitigen

Datum: 27.01.2023

Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) e.V. appelliert an die Politik, eine Entscheidung bezüglich des Aufbaus der Wasserstoffinfrastruktur, insbesondere deren Finanzierung, zu treffen und spricht sich für eine investitionssichere Zukunftsplanung aus. Dabei gilt es bereits jetzt den Bedarf im Jahr 2045 an grünem Wasserstoff und die versorgungssichere, wirtschaftliche und nachhaltigen Verteilung zu berücksichtigen. Mit dem dena-Modell liegt ein Finanzierungskonzept auf dem Tisch, das die privaten Finanzierungsmöglichkeiten der Netzbetreiber für den Aufbau des Netzes nutzt und zugleich marktfähige Netzentgelte in der Phase des Aufbaus der Wasserstoffinfrastruktur sicherstellen kann. Damit kann ein zentrales Investitionshindernis kurzfristig beseitigt werden. Ziel einer Zukunftsplanung muss es sein, den Ausbau zu beschleunigen sowie Planungs- und Finanzierungssicherheit zu schaffen.

Die internationalen, europäischen und deutschen Ziele zum Klimaschutz geben den Rahmen für das zukunftsgerichtete Handeln in der Wirtschafts-, Energie- und Klimapolitik vor. Daraus folgt u. a. der erforderliche beschleunigte Ausbau der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien und die Anstrengungen zur Defossilisierung und Transformation der Wirtschaft.

Für eine nachhaltige, wirtschaftliche und versorgungssichere erneuerbare Energieversorgung bedarf es ohne Zweifel des Hochlaufs von Wasserstofftechnologien und einer Wasserstoffinfrastruktur. Nur so können erneuerbare Energien in Deutschland und Europa, in dem zukünftig erforderlichen Maßstab importiert, verteilt, langfristig gespeichert und somit erfolgreich in ein klimaneutrales Energiesystem integriert werden. Der Transport von Wasserstoff über Pipelines und seine Speicherung in großvolumigen Untergrundspeichern ist dabei unzweifelhaft die kostengünstigste Option, große Mengen erneuerbarer Energie von den Erzeugungs- zu den Verbrauchsschwerpunkten zu transportieren und unabhängig von der aktuellen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien bedarfsgerecht den Verbrauchern zur Verfügung zu stellen. Genau aus diesem Grunde setzt sich die Fachkommission HyInfrastructure für einen schnellen und kosteneffizienten Umbau von Erdgaspipelines und Speichern sowie den Neubau von Wasserstoffpipelines und -speichern ein. Dabei gilt es insbesondere jetzt die finanziellen Anreize für sogenannte H2-Readiness Investitionen zu schaffen, für Netzteile, die sinnvollerweise auf Wasserstoff umgestellt werden können.

Damit Wasserstoff seine Rolle als Bindeglied zwischen den Sektoren erfüllen kann, ist das baldige Entstehen eines Wasserstoffnetzes als Transportinfrastruktur notwendig. Dieses muss die künftigen Verbraucher von Wasserstoff, die diesen für die Defossilisierung der Prozesse als Energieträger benötigen, die Speicherinfrastruktur, die Erzeugungsstandorte und Importhäfen von Wasserstoff und erneuerbaren Energien verbinden. Dafür ist die Umwidmung bestehender Erdgasnetze der schnellste und volkswirtschaftlich effizienteste Weg. Dazu bedarf es eines frühzeitigen und strategischen Netzentwicklungsplans für die Transformation der bestehenden Pipelineinfrastruktur und den Neubau von Teilabschnitten. Die Netzbetreiber haben dazu im Rahmen vorbereitender eigener Planungen (H2-Bericht der FNB und Gasnetztransformationsplan) Vorschläge vorgelegt. Dabei ist zu beachten, dass die Planung von grünen Wasserstoff Erzeugungsschwerpunktregionen und die darauf aufbauende Infrastrukturbereitstellung nicht auf die Entwicklung eines Marktes warten kann. Nur so können die entsprechenden Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozesse rechtzeitig erfolgen. Die bestehenden Erdgasinfrastrukturen sowie die Gasnetzbetreiber sowohl im Transport- als auch im Verteilnetz sind eine optimale Basis für die Entwicklung dieser Infrastruktur.

Die Transformation der bestehenden Infrastruktur durch den zügigen Um- oder Aufbau von Wasserstoffnetzen schafft die Voraussetzungen zur Erreichung der vereinbarten Klimaziele in allen Sektoren. Erst durch die Anbindung an ein Netz, das reinen Wasserstoff oder anfänglich auch Wasserstoff-Gasgemische durch Beimischung zur Verfügung stellt, können die zukünftigen Wasserstoffnutzer und -verbraucher verlässlich mit ausreichenden Mengen an grünem
Wasserstoff versorgt werden. Dies ist für die Transformation in eine defossilisierte Wirtschaft und hauptsächlich für die Industrie ausschlaggebend.

Für den schnellen Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur sind die Regelungen der Übergangsregulierung für die Wasserstoffnetze im EnWG unzureichend. Die in der Wasserstoffnetzentgeltverordnung (Wasserstoff NEV) verankerte Systematik der Entgeltbildung führt für die ersten Netzkunden zu prohibitiv hohen Netzentgelten, wodurch sich ein Investitionshindernis für die Wasserstoffnutzer und damit auch für die Netzbetreiber ergibt. Es bedarf praxistauglicher Modelle für die Finanzierung der Umstellung, welche die vorhandenen Potenziale der bestehenden Infrastruktur und deren Betreiber bestmöglich nutzen.

Das von der Deutschen Energie-Agentur (dena) vorgeschlagene Finanzierungsmodell zum Wasserstoffnetzaufbau wäre eine geeignete Möglichkeit, um schnell die notwendigen Impulse und Sicherheiten für Investitionen der Netzbetreiber und deren Netzanschlusskunden zu schaffen. Das dena-Modell sieht vor, dass der Bund die Netzbetreiber mit dem Aufbau und Betrieb eines Wasserstoffnetzes, bestehend aus umgerüsteten Erdgasleitungen und ganz neuen Wasserstoffleitungsabschnitten, beauftragt. Ein szenarienbasierter Infrastruktur-Plan unter Einbezug der Bundesnetzagentur bildet dabei den Rahmen. Die Netzentgelte werden politisch (durch den Gesetzgeber oder die Bundesnetzagentur) auf eine tragfähige Höhe gedeckelt. Die Investitionsrisiken der Anfangsphase werden über ein „Amortisationskonto“ abgesichert, in dem Kosten und Einnahmen verzeichnet und zu einem Stichjahr (2035 wird als mögliches Jahr genannt) verrechnet werden. Damit gehen die Netzbetreiber beim Aufbau und Umbau ihrer Netze in Vorleistung, während der Staat die Investitionen absichert und die Rentabilität in der Aufbauphase der Wasserstoffnetzinfrastruktur ermöglicht. Der Betrieb des Wasserstoffnetzes erfolgt unter einer allein auf Wasserstoff basierenden Kostenregulierung durch die BNetzA.

Der Vorschlag der dena wäre aus Sicht des DWV eine grundsätzlich geeignete Möglichkeit, um die bestehenden Investitionshindernisse zu beseitigen und die privaten Finanzierungsmöglichkeiten der Netzbetreiber für den Aufbau des Netzes zu nutzen und zugleich marktfähige Netzentgelte in der Aufbauphase der Wasserstoffinfrastruktur sicherzustellen. Es bedarf der Konkretisierung, insbesondere bei den Regelungen zum Ausgleichszeitpunkt (Stichjahr), zur Vereinbarkeit mit den Beihilferegeln, der Einbeziehung der Verteilnetze und den Ausgleichsbedingungen des Amortisationskontos. Darüber hinaus könnte der Vorschlag der dena ebenfalls die Basis dafür bilden, den notwendigen Aufbau von Wasserstoffspeichern sowie die Transformation bestehender Gasspeicher anzureizen.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, sicherzustellen, dass das Modell zum Aufbau und Betrieb der Wasserstoffnetze schnell eine kosteneffiziente, versorgungssichere und diskriminierungsfreie Wasserstoffversorgung der gesamten deutschen Volkswirtschaft nachhaltig gewährleistet. Die heutigen Erdgasnetzbetreiber sehen sich in der Lage, den Aufbau eines Wasserstoffnetzes untereinander zu koordinieren und in diesem Sinne auszugestalten. Dabei können bestehende arbeitsfähige Strukturen im Sinne von Effizienz und Geschwindigkeit eingesetzt werden.

Die Fachkommission HyInfrastructure appelliert an die Bundesregierung, bis Mitte 2023 die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Wasserstoffinfrastruktur so anzupassen, dass die bestehenden Investitionshemmnisse beseitigt werden. Mit der Umsetzung des dena-Modells können sehr kurzfristig wichtige Weichen gestellt und erste Erfolge erzielt werden. So kann der Um- und Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur für den Hochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft erfolgreich beginnen und so zu einer diversifizierten, resilienten und sicheren europäischen Energieversorgung beitragen.

Die Fachkommission HyInfrastructure spricht sich dagegen aus, im Rahmen der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) die Festlegung für die Schaffung einer Wasserstoffnetzgesellschaft zum Aufbau der zukünftigen Wasserstoffinfrastruktur zu treffen. Der Aufbau einer solchen Gesellschaft würde zur Schaffung von Doppelstrukturen zu den bestehenden Netzbetreibern und zwangsweise zu Verzögerungen beim Wasserstoffinfrastrukturaufbau führen.

Anhang – Erläuterungen zum dena-Modell
Das Ziel des dena-Modells ist es, einen verlässlichen Rahmen für Investitionsentscheidungen in eine Wasserstoff-Infrastruktur zu geben und so den Aufbau einer solchen zu beschleunigen. Dazu sollen die Risiken und Chancen auf verschiedene Akteure verteilt werden.

Ausgestaltung

  • Die Planung eines zu errichtenden Wasserstoffnetzes erfolgt im Einklang mit den Klimazielen und unter Einbeziehung der Bundesnetzagentur (BNetzA).
  • Die Netzbetreiber erhalten den Auftrag zur Errichtung des Wasserstoffnetzes; durch die Umrüstung bestehender Erdgasleitungen und durch Neubau von Netzabschnitten. Dafür werden für die Leitungen oder Leitungssysteme öffentlich-rechtliche Verträge abgeschlossen.
  • Die Finanzierung des Wasserstoffnetzaufbaus erfolgt durch die Netzbetreiber mit Eigenmitteln. Die Refinanzierung der Investitionen wird staatlich abgesichert.
  • Für den Betrieb der Wasserstoffnetze und die Festlegung der Netzentgelte werden die Netzbetreiber durch eine allein auf Wasserstoff basierenden Kostenregulierung durch die BNetzA reguliert, wie dies bereits in der EnWG-Änderung vom Juni 2021 vorgesehen ist („Opt-In“).
  • Die erhobenen Netzentgelte werden anfänglich so gedeckelt, dass diese auch für die anfänglich noch wenigen Kunden wirtschaftlich attraktiv ist. Die Höhe des Netzentgelts wird durch die BNetzA geprüft und bestätigt.
  • Auf einem Amortisationskonto werden fortlaufend die Kosten für den Aufbau und Betrieb des Wasserstoffnetzes (Betriebskosten, Verzinsung, Abschreibungen der Investitionen) abgerechnet und die Einnahmen durch die Netzentgelte eingezahlt. Die finanzielle Lücke wird so anfänglich durch die Netzbetreiber aufgefangen. Mit steigender Anzahl der Netznutzer schließt sich die finanzielle Lücke, das Konto wird sukzessive durch steigende Einnahmen ausgeglichen und die Absicherung durch den Staat wird nicht in Anspruch genommen.
  • Sollte der Markthochlauf gänzlich scheitern oder sich deutlich verzögern, gleicht der Staat die Verluste der Netzbetreiber aus. Dazu kann der Staat im Zeitablauf Mittel zu einem Stichjahr (z. B. 2035) aufbauen (z. B. über einen Fonds).
  • Die ggf. erforderlichen Mittel müssen dafür staatlich im Haushalt abgesichert oder aufgebaut werden (z.B. mittels eines Fonds), um die notwendige Sicherheit für die Investitionen zu geben.
  • Eine abschließende Verrechnung von Mehr- oder Mindererlösen durch den Betrieb der Wasserstoffinfrastruktur erfolgt nach dem Ende der Amortisationsdauer (2045). Die Prüfung der Rentabilität und die Abwicklung des Prozesses liegen bei der BNetzA.
  • Die Regelungen zur Amortisationsabsicherung gelten nur für Leitungen einer Anschubphase (z.B. bis 2035) und sichern für diese den Fall eines verzögerten Wasserstoffhochlaufs ab.

Vorteile:

  • Eine Absicherung der Refinanzierung und tragbare Netzentgelte für Wasserstoffnutzer sind die Basis für positive Investitionsentscheidungen und Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur
  • Netzbetreiber können die Umstellung und den Bau von Leitungen zeitnah starten
  • Wasserstoffverbraucher und Importeure erhalten Planungssicherheit für den Transport des Wasserstoffs
  • Wahrung Chancen-Risiko-Verhältnis, die Netzbetreiber erhalten ihr Kostenpaket zurück, vereinnahmen aber keine zusätzlichen Gewinne

Grundlage für diesen Anhang ist das dena-IMPULSPAPIER, „Vorfinanzierung durch die Netzbetreiber, Risikoabsicherung durch den Staat; Ein Vorschlag für mehr Tempo beim Ausbau der Wasserstoff-Netzinfrastruktur“; 25.08.2022

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