Absicherung von Wasserstofflieferungen an die deutsche Industrie – Lösungsvorschläge zur finanziellen Absicherung
Die Wasserstoffwirtschaft braucht Sicherheit im Hochlauf
Bund und Länder haben mit beihilferechtlicher Genehmigung aus Brüssel einen Förderrahmen zum Aufbau von Direktreduktionsanlagen zur CO₂-armen Stahlproduktion auf Basis von Wasserstoff geschaffen.
Erste Stahlunternehmen, deren CO2-arme, wasserstoffbasierte Stahlherstellung ab 2026 in Betrieb gehen wird, haben nun Ausschreibungen für Wasserstofflieferungen gestartet.
Viele deutsche, europäische und außereuropäische Hersteller und Abnehmer von Wasserstoff zögern jedoch noch aus Risikogründen, langfristige Lieferverpflichtungen einzugehen. Dies erschwert Investitionen in große Elektrolyseanlagen, da notwendige Absicherungsrisiken solcher Verträge nicht einpreisbar sind. Allein für den Bezug von Wasserstoff in der Stahlindustrie sind perspektivisch abzusichernde Volumen im einstelligen Milliardenbereich pro Jahr zu erwarten. Hinzu kommen Risiken im Infrastrukturaufbau und -betrieb.
Deshalb braucht es insbesondere für die Stahlindustrie jetzt zielgerichtete Absicherungsinstrumente, um
notwendige Langfristverträge für den Wasserstoffbezug zu ermöglichen. So erhalten Lieferanten ausreichend Sicherheit, um eine verlässliche Versorgung der Industrie zu gewährleisten und den Hochlauf der
Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und Europa zu unterstützen.
Forderungen im Überblick
Damit sich Wasserstofflieferungen an die deutsche Industrie tatsächlich realisieren lassen, müssen verbleibende Risiken des Wasserstoff-Markthochlaufs über folgende Instrumente abgesichert werden:
- Einführung staatlicher Absicherungen für Wasserstofflieferverträge, bspw. durch Avalkredite, die über das bestehende Großbürgschaftsprogramm des Bundes abgesichert werden; perspektivisch ist auch die Absicherung von Warenkreditversicherungen – z.B. durch Bundesgarantien – oder eine Erweiterung von H2Global auf Inlandsgeschäfte denkbar.
- Unterstützung des Infrastrukturaufbaus mittels langfristiger Finanzierungs- und Absicherungsinstrumente neben dem Wasserstoffkernnetz auch für Wasserstoffspeicher, Ammoniakterminals und Ammoniak-Cracker.
- Umsetzung von langfristigen und verlässlichen regulatorischen Rahmenbedingungen für Import, Transport und Nutzung von Wasserstoff.
Um eine zielgenaue Absicherung zu ermöglichen und Investitionen zu beschleunigen, schlagen wir ein zweiteiliges Konzept aus finanziellen Sicherheiten für Lieferverträge und einer koordinierten Infrastrukturabsicherung vor.
1. Möglichkeit der finanziellen Absicherung von Wasserstofflieferungen
Zur Absicherung von Lieferverträgen für Wasserstoff bietet sich die Implementierung eines Avalkredit-Modells an, das durch staatliche Bürgschaften gestützt wird. Dieses Instrument kann das Kreditrisiko für
Lieferanten erheblich reduzieren und gleichzeitig Abnehmern größere finanzielle Flexibilität ermöglichen.
Die folgenden Maßnahmen zeigen, wie eine zielgerichtete Umsetzung im Rahmen des bestehenden Instrumente erfolgen könnte:
- Alternative A: Erweiterung bestehender Marktinstrumente wie der Hintco, um eine staatliche Besicherung darzustellen. Die Hintco oder ein vergleichbarer Anbieter könnte als
Intermediär agieren, der durch eine Verpflichtungserklärung des Staates als Bürge ausgestattet ist. Die zusätzliche Ausstattung des Instruments bliebe für den Staat bis auf den Fall eines Ausfalls eines Abnehmers oder Lieferanten cash-neutral. Dadurch würde der Intermediär als Einkäuferin die Bonität des Staates erhalten und den Ausfall des Geschäfts absichern.
- Alternative B: Etablierung eines staatlich abgesicherten Avalkredit-Modells zur Reduzierung des Kreditrisikos für Wasserstofflieferanten. Durch eine 80 prozentige staatliche Bürgschaft innerhalb des bestehenden Großbürgschaftsprogramms erhalten Banken eine Risikoabsicherung, sodass Abnehmer und Lieferanten eine notwendige 100 prozentige Vertragserfüllungsbürgschaft stellen können, die bezahlbar bleibt. Dies ermöglicht den Abschluss von Lieferverträgen sowie zusätzlich längere Zahlungsziele und eine Absicherung der Lieferforderungen durch Factoring. Gleichzeitig handelt es sich im Fall eines Ausfalls auch bei den verbleibenden 20 Prozent um hohe Summen, die Unternehmen nur schwer allein tragen können.
- Nutzung des Großbürgschaftsprogramms des Bundes zur Implementierung der Aval-Kredite. Das Programm bietet eine bewährte Struktur für großvolumige Finanzierungen und unterliegt nicht der Schuldenbremse. Es erlaubt flexible Absicherungsmodelle, von rollierenden Sicherheiten bis hin zu Gesamtvertragslaufzeiten.
- Einführung einer marktkonformen Kostenstruktur mit optionaler Beihilferegelung zur Vermeidung finanzieller Mehrbelastungen des Bundes. Die Finanzierung erfolgt durch marktübliche Bürgschaftsentgelte (basierend auf Zinsdifferenzmethode oder Benchmarking) oder als notifizierte Beihilfe mit vergünstigten Konditionen. Eine halbjährliche Erhebung der Entgelte stellt eine planbare und faire Verteilung der Kosten sicher.
Dieses Modell soll bestehende Förderprogramme nicht ersetzen, sondern gezielt die Liefer- und Verbrauchsbereitschaft für Unternehmen erhöhen, die aufgrund interner Kreditrisikorichtlinien sonst nicht
für Vertragsabschlüsse bereit wären. Perspektivisch besteht für die Bundesebene auch die Alternative, Warenkreditversicherungen (WKV) als Absicherungsinstrument einzuführen.
Die verzögerte Verfügbarkeit der für die Lieferbeziehung erforderlichen Infrastruktur stellt ein hohes Risiko für Abnehmer und Lieferanten außerhalb ihrer Einflusssphäre dar. Eine Risikoübernahme seitens
der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) oder der öffentlichen Hand wäre folglich wichtig und sachgerecht.
2. Technische und finanzielle Absicherung der Infrastruktur
Anbieter und Betreiber von Infrastruktur – insbesondere von Pipelinenetzen im In- und Ausland, Terminals, Schiffen und Crackern – sind eine Voraussetzung für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Diese
müssen Vorleistungen im Aufbau der Infrastruktur erbringen, ohne bereits eine Garantie auf die tatsächliche Nutzung ihrer Infrastruktur zu haben. Auch besteht das Risiko, dass Infrastruktur nicht termingerecht fertiggestellt wird und dies zu Ausfallkosten beim nachgelagerten Anlagenbetreiber führt.
Mit dem Amortisationskonto wurde erstmals ein tragfähiges Konzept gefunden und rechtlich verankert, welches Investitionen der Netzbetreiber auslöst und zugleich die Gesamtkosten zeitlich streckt, um so den Aufbau eines nationalen Wasserstoffkernnetzes zu gewährleisten. Dieses Instrument reicht allein allerdings noch nicht aus, da es nur für das innerdeutsche Kernnetz gilt. Für den Aufbau der minimal notwendigen Infrastruktur zum Wasserstoffhochlauf wird eine ausreichende Finanzierung, Absicherung und Förderung aller (auch der Import-) Infrastrukturvorhaben benötigt, solange sie nicht selbst wirtschaftlich tragfähig sind oder das Risiko einer Verzögerung bei dem Infrastrukturaufbau besteht. Dabei könnten folgende ergänzende Instrumente helfen:
- Etablierung eines finanziellen Ausgleichsmechanismus, sofern Wasserstoffinfrastruktur nicht termingerecht fertiggestellt wird und Folgekosten aus der Nichtverfügbarkeit entstehen,
angelehnt an das System der Offshore-Haftungsumlage.
- Erweiterung der Förderung – über das Wasserstoff-Kernnetz hinaus – auch auf Infrastruktur für den Wasserstoffimport wie Ammoniakterminals und Ammoniak-Cracker.
- Etablierung eines Rückzahlungsmechanismus auch für die benötigte Import-Infrastruktur, angelehnt an das Amortisationskonto für das Wasserstoff-Kernnetz.










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