Offener Brief – Appell: sofortige Wiederaufnahme einer verlässlichen Förderung der Wasserstoffmobilität erforderlich, um die Klimaziele zu erreichen und den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht zu gefährden

Datum: 27.04.2024

An: den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Wissing,
sehr geehrter Herr Bundesminister Lindner,
sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Habeck,

als Unternehmer, Wissenschaftler und Branchenvertreter einer emissionsfreien und versorgungssicheren Mobilität möchten wir Sie heute auf dringenden Handlungsbedarf hinweisen: Wir stehen in Deutschland unmittelbar davor, die Klimaziele des Verkehrssektors zu verfehlen, indem wir die belegte Systemdienlichkeit der Produktion nachhaltigen Wasserstoffs für eine effiziente Sektorenkopplung nicht nutzen. Eine derartige Politik verspielt leichtfertig und unnötig Deutschlands Position als Leitmarkt für Wasserstoffanwendungen und schwächt damit enorm den gesamten Wirtschaftsstandort – weit über den Verkehrssektor hinaus.

Die Rolle der Wasserstoffwirtschaft hat die Bundesregierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag eindeutig hervorgehoben. Mit dem aktuell angekündigten Aussetzen der Förderung der gesamten Wasserstoffmobilität wird der sich gerade entwickelnde Hochlauf gestoppt und bereits getätigte Investitionen werden entwertet. Wir appellieren daher an Sie, die Förderung der Wasserstoffmobilität umgehend wieder aufzunehmen und die bereits, im Vertrauen auf die Förderaufrufe, gestellten Förderanträge kurzfristig zu bewilligen.

Das Aussetzen von Förderungen verhindert das Erreichen der Klimaziele

Die Klimaziele können nur durch die gemeinsame Anstrengung von Politik und Industrie erreicht werden. Hier müssen beide investieren – die Industrie steht hierfür bereit. Das Aufschieben der wichtigen Unterstützung für den Aufbau einer Wasserstoffbetankungsinfrastruktur und der zugehörigen (Nutz-)Fahrzeuge als Abnehmer des Wasserstoffs, führt jedoch zu einer massiven Verunsicherung und zu Vertrauensverlust weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Dabei sind zukünftige Investitionen von Industrie und engagierten Flottenbetreibern jetzt dringend notwendig.

Es führt kein Weg daran vorbei, die in der Alternative Fuels lnfrastructure Regulation (AFIR) definierten verbindlichen Ziele zum Aufbau von Wasserstofftankstellen entlang des transeuropäischen Transportnetzes (TEN-T) zu erreichen, da Deutschland sonst massive Vertragsstrafen in Milliardenhöhe drohen. Auch müssen Fahrzeugbauer Emissionsflottenziele erreichen, was ohne Wasserstoff unmöglich ist, jedoch beim Verfehlen ebenfalls zu drakonischen Strafzahlungen führt. Neben all diesem wiegt jedoch weitaus schwerer der Verlust der Glaubwürdigkeit Deutschlands, die Klimaschutzziele wirklich umsetzen zu können und zu wollen.

Wasserstoff ist systemdienlich – eine effiziente Sektorenkopplung ist nur mit Wasserstoff möglich

Die derzeitige Umsetzung der Verkehrstransformation, z.B. durch reine batterieelektrische Antriebe, stockt nicht zuletzt durch die komplett ausgelasteten Stromnetze. Gerade Wasserstoff wird hier Abhilfe schaffen, da Wasserstoff das Stromnetz entlastet und Energie saisonal als Speichermedium zwischenspeichert. Damit Deutschland jedoch das volle Potenzial Erneuerbarer Energien ausschöpfen kann, müssen alle Komponenten des Wasserstoffsystems, wie die Errichtung von dezentralen Elektrolyseanlagen, die Etablierung des Wasserstoffkernnetzes und der Ausbau der Wasserstoffmobilität gleichzeitig vorangetrieben werden. Der Wegfall einer dieser Komponenten bringt den Markthochlauf von Wasserstoff und damit die gesamte Transformation hin zu Erneuerbaren Energien insgesamt in Gefahr.

Deutschland als Leitmarkt für Wasserstoffanwendungen und damit die hiesige Technologieführerschaft stehen auf dem Spiel

Deutschland nimmt aktuell eine herausragende Position als dynamischer Leitmarkt für Wasserstofftechnologien und -anwendungen ein – wir setzen weltweite Standards, denen andere folgen. Diese Vorreiterrolle resultiert aus einer Technologie- und Innovationskraft, die darauf zielt, Wasserstofftechnologien ganzheitlich über alle Branchen hinweg zu entwickeln. Nur was wir in Deutschland selbst entwickeln und marktnah einsetzen, kann unser Land als Industriestandort zukünftig exportieren.

Was wir gerade sehen, ist, dass andere Länder ihre Wasserstoffstrategien durch eine entsprechende Industrie- und Standortpolitik konsequenter umsetzen und unterstützen. Dies gefährdet nicht nur Deutschlands Position als lnnovator, sondern auch seine Wettbewerbsfähigkeit insgesamt – und damit Arbeitsplätze in einem Sektor, der das Potenzial hat, eine Schlüsselrolle in der Zukunft der Energiewende und der Mobilität zu spielen.

Maßnahmen zur Erfüllung der Klimaziele, Erreichung einer effizienten Sektorenkopplung und Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland

Die bisherigen getroffenen Maßnahmen, mit denen der Markthochlauf unterstützt werden sollte und auf die Unternehmen vertraut haben, sind vielfach nicht vollständig umgesetzt worden und kommen nun fast vollständig zum Erliegen. Die Bilanz sieht wie folgt aus:

  • Die Umsetzung der im Rahmen der lmportant Projects of Common European lnterest (IPCEI) in Aussicht gestellte Förderung von Wasserstofftankstellen für den Schwerlastverkehr wird seit Jahren immer wieder aufgeschoben.
  • Die im Rahmen eines Förderaufrufs im NIP im Frühjahr 2023 durch das BMDV verkündete Förderung für über 60 öffentliche Wasserstofftankstellen ist ausgeblieben.
  • Ein stattdessen angekündigter neuer Förderaufruf im Frühjahr 2024 wird voraussichtlich nicht erfolgen.
  • Durch den derzeitigen Auszahlungsstopp werden bereits geförderte Projekte dem Risiko ausgesetzt, unwirtschaftlich und damit nicht durchgeführt zu werden.
  • Eine Koordination im Rahmen der Förderung zwischen Bund und Bundesländern findet praktisch nicht statt.
  • Die finanzielle Förderung von batterie- und brennstoffzellenelektrischen Schwerlastfahrzeugen (KsNI) wurde komplett eingestellt.

Im Sinne einer starken Wasserstoffwirtschaft fordern wir Sie daher in aller Klarheit zur Umsetzung folgender Maßnahmen auf:

  • Tatsächliche Umsetzung der im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie definierten Maßnahmen zur Förderung von Wasserstoffmobilitätsprojekten.
  • Fortführung bereits in Aussicht gestellter Förderung für Wasserstoffmobilitätsprojekte und Nutzbarmachung entsprechender Fördermittel für die Projekte.
  • Erfüllung der Zielvorgaben der AFIR durch kurzfristige Fördermittelzusagen für den Aufbau der europarechtlich verpflichtenden öffentlichen Wasserstoffbetankungsinfrastruktur.
  • lnitialförderung von H2-Schwerlastfahrzeugen (brennstoffzellenelektrische Antriebe und Wasserstoffmotoren), damit die Flottengrenzwerte erreicht werden können.
  • Schaffung eines planbaren und verlässlichen OPEX-Förderprogramms für den Schwerlastgüterverkehr zur Absicherung einer emissionsarmen sicheren Versorgung der Bürger:innen und Unternehmen.
  • Schaffung einer ministeriellen Struktur zwischen Bund und Ländern, die einen Hochlauf der Wasserstoffmobilität bis zum Jahr 2030 mit planbaren Rahmenbedingungen unterstützt und die Förderkulisse gemäß der tatsächlichen Marktbedingungen schrittweise anpasst und reduziert.
  • Beseitigung regulatorischer Hürden und Hemmnisse mit dem Ziel eines zeitnahen, weiteren Markthochlaufs.
  • Forschungsförderung zur konsequenten Weiterentwicklung der Technologien.

Deutschland hat jetzt die Chance, seinen Verpflichtungen zum Klimaschutz im Verkehrssektor wirtschaftlich effizient nachzukommen und gleichzeitig seinen im Koalitionsvertrag vereinbarten Anspruch auf eine globale Führungsrolle in der Wasserstofftechnologie gerecht zu werden. Wir appellieren an Sie, den Weg in eine nachhaltige Zukunft und die Wirtschaftsstärke Deutschlands mit einer verlässlichen finanziellen Begleitung vertrauenswürdig zu gestalten. Hier sind Industrie, Wissenschaft und Politik gefordert. Für Gespräche stehen wir gerne zur Verfügung.

Berlin, den 27. April 2024

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